Aktionsbündnis gegen Rechts Bremerhaven (1/3)
Shownotes
Das Aktionsbündnis gegen Rechts Bremerhaven ist ein überparteiliches Bündnis verschiedener zivilgesellschaftlicher Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen. Das Bündnis organsiert seit 2018 Demonstrationen, Flugblattaktionen und Gespräche in Bremerhaven. Es setzt sich für ein gleichberechtigtes, demokratisches Zusammenleben ein und richtet sich gegen rechtsextreme und rechtspopulistische Strömungen vor Ort. Ein Gespräch über lokales Engagement gegen Rechts, produziert von der Heinrich Böll-Stiftung Bremen.
Ein Podcast mit:
- Gertrud Wiehler (Aktionsbündnis gegen Rechts Bremerhaven)
- Jutta Schmidt (Aktionsbündnis gegen Rechts Bremerhaven)
- Sabrina Maasberg im Auftrag der Heinrich Böll-Stiftung Bremen
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Aktionsbündnis gegen Rechts Bremerhaven
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Mandy Schielke: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Reihe Böll.Regional, in der wir euch Projekte aus verschiedenen Bundesländern vorstellen. Diese Staffel dreht sich um gute Praxisbeispiele gegen Rechts und Ideen, wie ihr aktiv werden könnt.
Sabrina Maasberg: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge. Ich sitze hier mit Gertrud Wieler und Jutta Schmidt und wir sprechen heute gemeinsam über ihr Engagement beim Aktionsbündnis gegen Rechts in Bremerhaven. Mein Name ist Sabrina Maasberg und ich führe das Interview im Auftrag für die Heinrich-Böll-Stiftung in Bremen. Herzlich willkommen, ihr beiden, und vielen Dank, dass ihr euch für das Gespräch bereit erklärt habt. Mögt ihr euch vielleicht einmal kurz vorstellen?
Jutta Schmidt: Ja, das machen wir. Also ich fange mal an. Mein Name ist Jutta Schmidt. Ich bin 76 Jahre alt, also gehöre eigentlich schon auch zu den Omas und habe auch drei Enkelkinder und bin also schon sehr, sehr lange politisch engagiert. Also eigentlich seit meiner Schulzeit, das war in den 60er Jahren. Und dann ging es weiter in der Studentenbewegung. Ich habe angefangen in Berlin zu studieren und kam dann also ziemlich schnell in die Studentenbewegung. Und Grund war, dass ich dann nachher Geschichte, Politik studiert habe und mich das immer interessiert hat, also was so die Geschichte des Faschismus war, die Geschichte des Nationalsozialismus. Das war für mich also immer eine große Motivation, mich politisch zu betätigen, dass so etwas nie, nie wieder passiert. Ja, und dann ging das weiter, also in der Studentenzeit und so politisch aktiv, politisch engagiert. Und hier in Bremerhaven bin ich dann 2018 zu dem Bündnis gegen Rechts gekommen und habe mich engagiert, aber darüber sagen wir nachher noch einiges.
Gertrud Wiehler: Mein Name ist Gertrud Wiehler und ich bin 73 Jahre alt und habe zwei Enkelkinder. Ich war in meinem früheren Leben Lehrerin und auch hier in Leehe, zuerst im Ruhrgebiet in Essen, und bin da durch die Arbeit mit ausländischen Kindern in die politische Laufbahn sozusagen gekommen, wo es auch schon um Integration und Chancengleichheit ging, dass also über die Zweitsprache, Deutsch als Zweitsprache, mehr Chancen eingeräumt werden. Und türkische Schüler waren das damals, auch die Möglichkeit bekamen, aufs Gymnasium zu kommen. Ja, und hier in Bremerhaven bin ich im Stadtteil Lehe und nachher Schulleiterin gewesen. Und da haben wir die sozialen Probleme immer auf dem Tisch gehabt. Und von daher ist es immer auch, es war eine Gesamtschule. Und Gesamtschule ist für mich auch eine politische Entscheidung gewesen.
Sabrina Maasberg: Vielen Dank und mögt ihr uns vielleicht gerne mal erzählen, wir sind ja heute hier, über das Bündnis gegen Rechts zu sprechen, was eigentlich das Bündnis ist?
Gertrud Wiehler: Ja, das Bündnis ist eigentlich wie auch der Gedanke bei der Gesamtschule, dass man für ein gleichberechtigtes Zusammenleben in der ganzen Unterschiedlichkeit der Menschen einsteht, dass es ein demokratisches Recht ist und für Demokratie spricht, dass man eben miteinander zusammenleben kann und dass es eben auch ein gleichberechtigtes Zusammenleben sein muss. Dass wir uns für die Grundrechte, für die Menschenrechte einsetzen müssen und dass das keine Selbstverständlichkeit ist, dass so etwas existiert, sondern das muss immer wieder eingefordert werden und dafür steht das Bündnis auch.
Jutta Schmidt: Dieses Bündnis hat sich zusammengefunden im Jahr 2018 und zwar war das auf eine Initiative vom Dialogverein, Verein für gleiche Rechte und von einer Organisation Gesicht zeigen, in der Gertrud und ich mit anderen schon vorher zusammengearbeitet haben. Es gab im Jahre 2017, 2018, gab es einige ziemlich heftige Angriffe von Rechten hier in Bremerhaven. Also es hatte sich im Landesverband die Partei Die Rechte gebildet und diese Mitglieder der Rechten und auch andere Nazis sind hier in Bremerhaven ziemlich massiv aufgetreten, haben also Veranstaltungen gestört, sind wirklich massiv aufgetreten. Also das ist hier unser Land, hier regieren wir sozusagen. Also auch als wir Stände gemacht haben, Ich erinnere mich an eine Situation, wo einer mit einem Hund und dann vor mich hin gespuckt hat und aufgetreten ist. Das war sehr massiv und es waren hier auch einige Demonstrationen zu der Unterdrückung der Kurden, von den Kurden und da waren es dann andere, da waren es also die Grauen Wölfe und die rechten Organisationen der Türken. Und da haben einige gesagt, also wir müssen jetzt uns zusammentun und wir müssen einen größeren Vereinen, Verband machen und dann daraus ergab sich die Gründung des Bündnis gegen Rechts. Und dann hat im Jahr 2018 auch eine große Demonstration stattgefunden. Das war auch das erste Mal, sodass etwa 2.500 Menschen da waren, also auch unterstützt zum Beispiel von der Gewerkschaft. Und also das war für uns schon so ein kleiner Erfolg, dass wir gesehen haben, also es ist wichtig, wenn man sich zusammenschließt, wenn man ein breites Netzwerk bildet. Und das war so praktisch der Anfang für unsere Arbeit im Bündnis.
Sabrina Maasberg: Ja, dann habt ihr auch viele schon miterlebt und mitgemacht, was euer Engagement angeht. Was für spezielle Aufgaben habt ihr denn jetzt in letzter Zeit übernommen? Wie kann man sich so quasi die Arbeit im Bündnis vorstellen?
Gertrud Wiehler: Ja, uns geht es einmal, das Stichwort hatte Jutta gerade schon gesagt, Vernetzung. Dass wir also auch mit anderen Initiativen und gesellschaftlichen Gruppen zusammenarbeiten, also zum Beispiel mit den Omas gegen rechts oder dem Arbeitskreis Migration und Flüchtlinge, die hier sehr aktiv sind, oder auch mit Mitgliedern aus der Klimabewegung. Und da sieht man immer wieder, dass es da Überschneidungen gibt, dass es also gesellschaftliche Problemstellungen gibt, die angefasst werden müssen oder die in die Öffentlichkeit kommen müssen. Und das ist zum Beispiel einer unserer Schwerpunkte. Jetzt in diesem Jahr wird es natürlich sehr stark einmal von der AfD dominiert, das Thema, und wie wir also dagegen vorgehen können. Und aber auch, dass wir Politiker in die Pflicht nehmen. Also ich sage mal so, dass Politiker das nicht einfach so hinnehmen. Ja, wir werden von der AfD getrieben und wir wissen aber nicht, was wir machen sollen. Und da hatten wir zum Beispiel eine Veranstaltung mit Vertretern der Koalitionsparteien hier in Bremerhaven, zu denen wir Fragen zu gesellschaftlichen Problemen gestellt haben und hatten da eine öffentliche Veranstaltung gemacht. Die ist auch sehr gut gelaufen und da werden wir auch noch weiter am Ball bleiben und ganz konkrete Antworten auch auf deren Antworten nochmal einfordern. Das ist ja bei Politikern doch weit verbreitet, dass man immer wieder nachbohren muss und dass einfach die erste Antwort eher an der Oberfläche bleibt.
Sabrina Maasberg: Definitiv, spannend auf jeden Fall.
Jutta Schmidt: Ja, du hattest ja gefragt, also was unsere Rolle auch so dabei ist. Und also ich merke, also wir haben jetzt praktisch so drei große Demonstrationen mitinitiiert. Und es braucht da immer so eine praktisch kleine Zentrale, die also jetzt so die ganzen Aufgaben, die anstehen, wenn man so eine Demonstration organisiert, die so mit einer Zentrale gemacht werden. Also wir beide haben das teilweise mit initiiert, Natürlich mit Unterstützung jetzt von verschiedenen anderen Gruppen. Aber wir merken einfach, dass diese Zentrale notwendig ist, diese vielen Telefongespräche, wenn es darum geht. Aber darüber werden wir nachher noch reden, wenn es darum geht Unterstützung und so weiter.
Sabrina Maasberg: Du hattest es gerade angesprochen. Es ist die AfD, die uns dazu gerade treibt, aktiv zu werden. Aber nun gibt es auch in Bremerhaven eine ganz andere Partei, die eher in das Spektrum rechtspopulistisch eingeordnet werden kann. Das sind die Bürger in Wut, die jetzt auch sich mit dem Bündnis Deutschland zusammengeschlossen haben. Und sie haben sehr, sehr viele Stimmen in Bremerhaven gewonnen und sind seit der letzten Wahl mit fast 20 Prozent nun auch die drittstärkste Kraft. Wenn ihr solche Herausforderungen sieht und solche Wahlergebnisse sieht, was glaubt ihr, wie kann man diese rechten Strömungen hier überwinden oder was macht es eigentlich in Bremerhaven aus?
Gertrud Wiehler: Ja, also in Bremerhaven ist es eigentlich schon seit Jahrzehnten, dass es so einen Grundstamm von rechten Wählern gibt. Wir hatten die Republikaner, wir hatten die AfD auch und jetzt eben die ursprünglich Bürger in Wut, die sich jetzt heute Bündnis Deutschland nennen, greifen diese Strömung oder auch diese Gruppen auf. Und Bremerhaven hat ja das Problem, dass wir eine sehr hohe Armutsquote haben. Und ich glaube, wir haben die höchste Kinderarmut in ganz Deutschland. Und da haben wir eben bei der letzten Wahl, die du da ja angesprochen hast, gemerkt, dass Bündnis Deutschland die Partei war, die einzige Partei bei der Wahl, die Wählerstimmen gewinnen konnten. Also die haben ungefähr elf Prozent mehr Stimmen bekommen, was natürlich auch daran liegt, dass die AfD sich in Bremen und Bremerhaven komplett zerstritten haben und dann nicht zur Wahl zugelassen wurden. Aber dieses Wählerpotenzial hat Bürger in Wut aufgefangen. Du nanntest sie ja rechtspopulistisch und das kann man so deutlich auch an den Wahlplakaten sehen von dem Herrn Timke, der also so in seinen Wahlplakaten als Einziger auch oftmals auftritt und dann so rechtspopulistische oder rechte Parolen auch von der österreichischen Rechten übernommen hat. Also ich kämpfe für euch und dann ist er da auch mit Boxhandschuhen auf dem Plakat oder ich sage, was ihr denkt. Und da lässt man sich ja also auch tatsächlich entmündigen. Also wenn ich da nichts mehr sagen muss, weil jemand für mich spricht.
Sabrina Maasberg: Aber viele fühlen sich dadurch natürlich angesprochen. Wenn sie uns zufrieden sind, wenn sie sehen, irgendwie stimmt hier was nicht.
Gertrud Wiehler: Ja, und das ist so, das finde ich das Problem, auch in anderen Städten natürlich, aber auch in Bremerhaven, dass solche Aussagen oder solche Menschen, solche Politiker auf so ein schwieriges soziales Umfeld stoßen und da dann mit leichten Lösungen versuchen, da Stimmen zu bekommen und ja auch schaffen, Stimmen zu bekommen.
Jutta Schmidt: Ein ganz großes Problem bei der letzten Wahl war eben auch der Anteil der Nichtwählerschaft. Ich glaube, 60 Prozent, also über 50 Prozent. Und das ist natürlich auch ein besonders großes Problem. Also wenn man mal guckt, wie so die Wahlbeteiligung in den einzelnen Bereichen, in den einzelnen Stadtteilen in Bremerhaven war. Also ich habe da gerade im Statistischen Amt nochmal nachgeguckt. Und das ist so, dass zum Beispiel im Goethe-Quartier, also im Goethe-Quartier wohnen besonders viele Bulgaren, besonders viele arme Menschen. Da war die Wahlbeteiligung 22 Prozent. In Speckenbüttel zum Beispiel und im Bürgerpark, also in Stadtteilen, in denen also eher ein guter Mittelstand, bürgerlich, eher Ein-Zweifamilienhäuser sind, da war die Wahlbeteiligung 60 Prozent. Also das ist ein enormer Unterschied. Und das zeigt für uns einfach sehr deutlich, woran das krankt, dass also in den Stadtteilen, wo also die höchste Armut ist und wo die Menschen also sagen, ja für mich hat das sowieso keinen Zweck, warum soll ich wählen beziehungsweise rechts wählen, also dass da eigentlich die größten politischen Probleme sind.
Gertrud Wiehler: Ja und da sehen wir schon auch unsere Aufgabe durch, ja eben auch durch Demonstrationen oder Verteilen von Flugblättern, dass wir also auch Aufklärungsarbeit leisten, Flugblätter auf den Wochenmärkten verteilen. Wir haben ja jetzt auch bei dieser letzten großen Demonstration, das ist ja überall in Deutschland also wirklich wie so ein Weckruf gewesen oder das haben wir auch als sehr beeindruckend empfunden, dass uns offene Türen eingerannt wurden, dass Menschen sagten, Gott sei Dank, endlich macht ihr das. Also so, als wenn man darauf gewartet hätte, dass so dieser Funke da ist. Und ich glaube, das hat gefehlt bisher, dass Menschen gesehen haben, wir sind auch nicht alleine. Und es waren ja auch sehr, sehr unterschiedliche Menschen da. Also es ist nicht nur, ich sage mal, das Bildungsbürgertum da gewesen, sondern wir haben ganz oft gehört, und das ist ja auch in anderen Städten berichtet worden, Viele, die das erste Mal überhaupt auf eine Demonstration gegangen sind, die sind da, da gewesen, ja auch im wahrsten Sinne des Wortes Gesicht zu zeigen. Und ich denke, solche Aktionen oder eben auch dieses Ansprechen der Menschen bei dem Verteilen von Flugblättern und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, dass es eben nicht harmlos ist, die AfD zu wählen oder Bürger in Wut. Und das ist eine wichtige Aufgabe des Bündnisses.
Sabrina Maasberg: Also würdet ihr euch das auch als eure Strategie quasi auf die Fahne schreiben? Ihr macht Flugblätter, ihr macht Aufklärungsarbeit mit Hilfe von Demonstrationen. Man sieht ja denn dadurch, was du gerade berichtet hast, Leute gehen zum ersten Mal zu einer Demonstration, das Thema wird wachgerufen. Das ist schon eine Strategie für euch jetzt quasi aktiv gegen diesen Rechtsruck vorzugehen. Oder was tut ihr on top dazu noch, außer die Gespräche noch mit den Politiker*innen, über die wir gesprochen haben? Wo wollt ihr hin?
Jutta Schmidt: Ja, also da wollen wir hin. Also wir sehen einfach eine große Gefahr darin, dass die Demokratie zerstört werden soll, also von AfD besonders, aber eben auch von anderen rechtsextremen Gruppen. Und also, dass unsere Devise ist, nie wieder Faschismus. Also das ist uns ganz wichtig und davon ebenso andere Menschen möglichst zu überzeugen. Also einmal zu überzeugen inhaltlich, aber eben einmal auch zu überzeugen, dass man was tun muss. Also es ist ja nicht so, dass das vom Himmel fällt, dieser Widerstand, sondern man muss sich engagieren. Und da gibt es also im Bremerhaven doch ziemlich viele Institutionen, ziemlich viele Gruppen, zum Beispiel Literatur und Politik oder zum Beispiel Arbeitskreis Migration und Flüchtlinge oder unseres Aktionsbündnis oder Omas gegen Rechts. Also man hat eigentlich, oder die Klimabewegung, also die ist auch ganz, ganz wichtig, gerade auch für junge Leute.
Gertrud Wiehler: Also ich wollte auch noch mal was zu Politikern sagen, weil ich glaube, dass es durch diese großen Demonstrationen, die ja in ganz Deutschland stattgefunden haben, ganz deutlich geworden ist, wie brisant das Thema ist. Und ich glaube, dass das dazu beigetragen hat, dass doch Politiker auch mutiger geworden sind, sich gegen diese Tendenz zu stellen. Also uns hat wirklich erschreckt, dass sie auch gesagt haben, wir werden in unserer politischen Arbeit von der AfD vorweggetrieben. Also wir müssen immer reagieren, reagieren. Also als wenn sie sozusagen das Heft der Politik verloren hätten oder aus ihrer Hand gegeben hätten.
Sabrina Maasberg: Also sie müssen quasi immer reagieren, aber können gar nicht mehr ihre eigenen Inhalte vorantreiben.
Gertrud Wiehler: Ja, ganz genau. Und ich glaube, dass diese großen Demonstrationen, wo ja wirklich Millionen von Menschen auf die Straße gegangen sind, den Politikern gezeigt haben, nein, also das ist nicht die Mehrheit, die also für Rechte sind oder für die AfD sind. Und dass sie von daher auch in ihrer Politik hoffentlich auch standhaft entgegensteuert. Man kann das nicht für alle Parteien sagen. Das sieht man ja jetzt gerade an dem Grundsatzprogramm der CDU, dass es da durchaus auch immer noch Parteien gibt, die also da doch in eine andere Richtung wollen.
Sabrina Maasberg: Es klingt nach super viel Arbeit, was ihr da macht. Also ihr macht es zusätzlich zu eurem Privatleben und steckt wahrscheinlich sehr, sehr viel Energie da rein. Was ist eure Motivation dahinter, also eure ganz persönliche Motivation?
Gertrud Wiehler: Wir sind ja beide Omas und ich sage mal, das ist sicherlich nicht eine geringe Motivation. Also wenn man sich vorstellt, dass unsere Kinder, also auch unsere eigenen Kinder und ich sage jetzt mal, ich spreche mal für mich, also meine Kinder und meine Enkelkinder in so einer Gesellschaft aufwachsen würden, in der es diese Grundrechte nicht mehr gäbe und diese Freiheit nicht mehr gäbe, da merke ich in meinem Alltag, dass ich diesen Gedanken einfach auch wegschieben muss. Also das finde ich unerträglich. Also das ist für mich auf jeden Fall eine wesentliche Motivation. Und mit dieser Arbeit ist ja gleichzeitig auch verbunden, dass man sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt. Dass man für, wenn ich jetzt sage, wir brauchen ein gleichberechtigtes Miteinander, dann steckt da so viel an sozialen Aufgaben oder an so vielen sozialen Anteilen drin, dass eine Gesellschaft so wie sie ist, auch heute immer noch nicht perfekt ist. Das wissen wir ja alle. Und dass man sich aber dafür auch einsetzen muss, dass es sich verändert und dass es sich zum Guten verändert.
Jutta Schmidt: Ja, das hat Gertrud sehr schön gesagt. Also das kann ich nur bestätigen. Also für mich eben auch als Mutter und Oma, also ist das ganz wichtig für die Zukunft, aber eben auch für alle anderen. Also wie, in welcher Zukunft wollen wir leben? Das ist also eine wichtige Frage und welchen Anteil können wir daran tun? Und das ist so, dass wir im Augenblick da wirklich sehr, sehr viel mit Gesprächen und Telefongesprächen und E-Mails und so weiter zu tun haben. Aber andererseits haben wir ja wirklich sehr positive Rückmeldungen bekommen. Also zum Beispiel, also ich meine, dass wir bei der letzten Kundgebung eben auch ein Interview in der Zeitung hatten und auch im Radio waren und so weiter. Und das haben uns viele Leute angesprochen. Und viele Leute haben gesagt, Mensch, ihr wart doch da oder du warst doch da neulich in der Zeitung und das finde ich ja toll. Oder neulich bei meinem Zahnarzt, der sagt, das wollte ich Ihnen doch nochmal sagen. Also das ist auch so, dass es einfach so eine positive Rückmeldung auch gibt. Oder ein anderer sagt neulich, also ich war ja auch da und habe meine Mutter, meine 94-jährige Mutter mitgenommen und die war das erste Mal auf einer Demonstration. Also das sind einfach so wirklich sehr gute, positive Rückmeldungen, die wir haben.
Sabrina Maasberg: Also ihr spürt auch schon eine richtig positive Veränderung, was das angeht. Das finde ich richtig schön.
Gertrud Wiehler: Ja, und auch so, dass sich Menschen bedankt haben. Wann hat man das mal, dass so jemand auf einen zukommt und sagt, ich wollte Ihnen mal einfach nur Danke sagen, dass Sie das gemacht haben oder dass du das gemacht hast. Also da sind einfach auch schöne, wirklich schöne Erlebnisse dabei.
Sabrina Maasberg: Ich kann auch nur Danke sagen für euer Engagement bisher und was dann auch kommen wird, bin ich auch sehr gespannt. Wie meint ihr denn, dass man das vielleicht auch noch bei den Bürger*innen in Brümmerhaven aufgreifen kann? Also wie kann man noch mehr Leute aktivieren, an der Demonstration teilzunehmen oder vielleicht sich auch zu engagieren? Also wie kann man diese Zivilgesellschaft aktivieren?
Jutta Schmidt: Also wir sind im Augenblick dabei, also ganz viel rumzuschicken, unseren Aufruf, also an wirklich alle Organisationen, an alle Parteien Und wir haben also so Sharepics und so weiter. Also die kann man weiterleiten. Das ist mittlerweile in großen Teilen von Bremerhaven bekannt. Ja, und dieses sich engagieren, da können wir nur appellieren nochmal daran, also dass Menschen sich in verschiedensten Organisationen einbringen. Und also das ist ganz wichtig, dass die Menschen auch sehen und merken, also es liegt auch an uns. Man kann nicht immer nur dieses Parteienbashing machen, also was alles nicht läuft. Das führt zu überhaupt nichts, wenn man keine Lösung hat, sondern man muss Lösungen finden und sagen, ja, also da gehe ich jetzt mal hin und da will ich jetzt mal was tun. Also das ist für uns eigentlich das Wichtigste, also aktiv zu werden, sich zu engagieren für Demokratie und zu sehen einfach, also das ist ja wieder die alte Vergangenheit, bevor es zu spät ist, also ich muss jetzt was tun. Und die Gefahr, dass die Demokratie also auf jeden Fall Schaden leidet, war noch nie so groß wie jetzt seit 1945. Also das muss man einfach sehen, dass es wirklich ganz, ganz wichtig ist für Demokratie und für unsere Grundrechte einzustehen.
Sabrina Maasberg: Ich finde das sind schöne Schlussworte. Ich bedanke mich sehr herzlich bei euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt, mit mir darüber das wichtige Thema zu sprechen. Und ja, ich wünsche euch viel Erfolg bei der nächsten Kundgebung. Wie gesagt, vielen Dank.
Mandy Schielke: Wenn ihr mehr hören wollt, abonniert Böll.Regional in der Podcast-App eurer Wahl, wie beispielsweise Apple Podcast, Spotify oder Soundcloud. Bei Fragen oder Anregungen schreibt uns einfach an podcast at boell.de. Wir hören uns nächste Woche wieder mit einer neuen Folge aus Bayern.
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